Einfluss menschlicher Abfälle auf die Freisetzung von Arsen in das Trinkwasser in Bangladesch – geochemische und statistische Untersuchungen

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Hintergrund / Zusammenfassung

Die Vereinten Nationen betrachten sauberes Wasser als ein Menschenrecht und definieren den Zugang zu sauberem Wasser als eines der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Agenda 2030). Die Umsetzung dieses Rechts stellt jedoch weiterhin eine große Herausforderung dar, da in vielen Teilen der Welt das Trinkwasser verschmutzt ist.

Einer der gravierendsten Schadstoffe ist Arsen. Es ist bekannt, dass langfristige Gesundheitsprobleme wie Krebs der Haut, Lunge, Blase, Nieren und Leber auftreten können, zudem können negative Auswirkungen auf das Nerven-, Herz-Kreislauf- und Immunsystem entstehen. Auch schwierige Schwangerschaftsverläufe könnten durch Arsen beeinflusst werden (Naujokas et al., 2013). Die häufigste Expositionsquelle für Arsen ist das Trinkwasser. Arsenbelastung von Grundwasser stellt in mehreren Ländern, darunter Argentinien, China, Taiwan, Indien, Nepal und Bangladesch, ein massives und bisher vernachlässigtes öffentliches Gesundheitsproblem dar. Besonders in Bangladesch ist die Arsenkontamination des Grundwassers großflächig und wurde als „größte Massenvergiftung einer Bevölkerung in der Geschichte“ bezeichnet (Smith et al., 2000). Schätzungen zufolge sind etwa 25 % der Bevölkerung Bangladeschs (~40 Millionen Menschen) chronisch Expositionen gegenüber Arsenwerten im Grundwasser ausgesetzt, die die von der WHO empfohlenen Trinkwassergrenzwerte überschreiten (BBS & UNICEF 2015).

Bekannt ist, dass das Grundwasser aufgrund natürlicher biogeochemischer Prozesse mit Arsen belastet ist, doch die genauen Mechanismen der Arsenmobilisierung sind noch nicht vollständig verstanden. In Bangladesch ist das Arsen geogenen Ursprungs und hauptsächlich an Eisen- oder Karbonatminerale gebunden. Ungünstige Bedingungen im Grundwasser führen zur Auflösung dieser arsenhaltigen Minerale und damit zur Freisetzung des adsorbierten Arsens. Es gibt Hinweise, dass dieser Prozess durch organische Substanz verstärkt wird, da sie die reduzierenden Bedingungen unterstützt und die mikrobielle Aktivität fördert (Lawson et al., 2016). Zusätzlich können Phosphate die Arsenfreisetzung fördern, indem sie um Bindungsstellen konkurrieren (Maier et al., 2017).

Neben den natürlichen Prozessen (Smedley & Kinniburgh 2002) kann die Arsenmobilisierung lokal auch durch menschliche Aktivitäten, insbesondere in flachen Rohrbrunnen, beeinflusst werden. Während Ravenscroft et al. (2001) den Abbau von Torf als den wichtigsten natürlichen Prozess ansehen, weisen sie auch auf die Notwendigkeit detaillierterer Untersuchungen hin, Latrinen als mögliche Quelle für Arsenmobilisierung zu betrachten. Diese Hypothese wurde erst in jüngerer Zeit durch Studien zu menschlichen Abfällen und deren Einfluss auf die Arsenmobilität weiterverfolgt (Whaley-Martin et al., 2017). Durch primitive wie auch verbesserte Latrinensysteme gelangen Fäkalien ins Grundwasser (Escamilla et al., 2013), was zu einer Versorgung von Sediment und Grundwasser mit mikrobiellen Kontaminanten, Phosphaten und modernem organischen Kohlenstoff führt. Frühere Studien hatten eine negative Korrelation zwischen fäkalen Markern und der Arsenbelastung von Brunnen in unmittelbarer Nähe zu Abwasserleitungen oder Latrinen festgestellt (McArthur et al., 2012).

Diese Arbeiten berücksichtigten jedoch nicht die zeitliche Verzögerung mikrobieller Prozesse, die zu anoxischen Bedingungen und folglich zur Arsenmobilisierung in weiter entfernten Brunnen stromabwärts der Latrinen führen können. Um die komplexen Zusammenhänge vollständig zu verstehen – einschließlich der geochemischen Prozesse – ist weitere Forschung zur Arsenmobilisierung notwendig, die den räumlichen und zeitlichen Kontext sanitäter Faktoren, wie Latrinenart, Standort und Nutzung, berücksichtigt.

Gängige soziokulturelle Praktiken im ländlichen Bangladesch, wie die unsachgemäße Entsorgung von Abwasser, der Bau von Latrinen in zu großer Nähe zu Rohrbrunnen oder die Vernachlässigung der Infrastruktur, verschlechtern wahrscheinlich die Trinkwasserqualität und erhöhen die Arsenmobilisierung (Escamilla et al. 2013, Dey et al. 2017). Während zahlreiche Studien über die Akzeptanz von Strategien zur Arsenbekämpfung durch die Bevölkerung in Bangladesch veröffentlicht wurden, gibt es bislang nur wenige Studien, die sich mit der Wahrnehmung und Motivation der Menschen in ländlichen Gebieten Bangladeschs in Bezug auf ihr Hygieneverhalten befassen.

Zielsetzung

Unser Ziel ist es, besser zu verstehen, wie das komplexe Zusammenspiel von sozio-kulturellen und sanitären Faktoren hydrogeochemische Prozesse beeinflusst, die zur Arsenbelastung von Trinkwasser führen. Unser Forschungsziel besteht darin, den Einfluss verschiedener sanitären Faktoren auf die Arsenmobilisierung zu quantifizieren und die Wirkung sozio-kultureller Praktiken auf die Sanitärversorgung zu untersuchen.

Langfristig möchten wir dazu beitragen, Interventionen zur Reduzierung der Arsenbelastung im Grundwasser effektiver zu gestalten und Richtlinien für den Bau verbesserter sanitären Strukturen zu informieren. Basierend auf diesem Pilotprojekt in Bangladesch könnten die entwickelten Methoden an andere Regionen mit ähnlichen Wasserproblemen angepasst werden.

Vorläufige Daten

Das vorgeschlagene Forschungsprojekt wird in den FAARM-Trial (Food and Agriculture Approaches to Reducing Malnutrition, 2015–2019) eingebettet, an dem Dr. Jacobs seit Dezember 2016 beteiligt ist. FAARM ist eine cluster-randomisierte Studie, die unter der Leitung von Dr. Sabine Gabrysch an der Universität Heidelberg in Zusammenarbeit mit der NGO Helen Keller International (HKI) durchgeführt wird. Ziel ist es, die Auswirkungen des Homestead Food Production Programms von HKI in ländlichen Gebieten von Sylhet, Nordost-Bangladesch, auf die Wachstumsverzögerung von Kindern zu evaluieren. Insgesamt sind 2.700 junge Frauen in 96 Dörfern in die Studie eingeschlossen.

In den 48 Interventionsdörfern erhalten die Frauen Unterstützung von HKI, um ganzjährig produktive Hausgärten anzulegen, Geflügel zu halten und bessere Ernährungs- sowie Hygienemaßnahmen umzusetzen. Der FAARM-Rahmen bietet die notwendige Infrastruktur für ein Projekt zur Untersuchung von Arsen.

Sylhet gehört zu den besonders arsenbelasteten Regionen Bangladeschs, wobei 38 % der Bevölkerung Arsenkonzentrationen im Grundwasser über dem WHO-Grenzwert von 10 µg/l ausgesetzt sind, und 25 % über dem bangladeschspezifischen Grenzwert von 50 µg/l liegen (BBS & UNICEF, 2015).

Im Frühjahr 2017 wurde eine Umfrage durchgeführt, um Informationen über die Nutzung von Rohrbrunnen von 250 Haushalten im FAARM-Untersuchungsgebiet zu sammeln. Die Rohrbrunnen wurden gekennzeichnet und Wasserproben entnommen. Die Laboranalyse der Proben, die von der Arbeitsgruppe von Dr. Maier durchgeführt wurde, ergab eine große Bandbreite an Arsenkonzentrationen, die von unterhalb der Nachweisgrenze bis zu über 400 µg/l reichten, wobei 68 % der Rohrbrunnen den Arsen-Grenzwert der WHO von 10 µg/l und 35 % den für Bangladesch spezifischen Grenzwert von 50 µg/l überschritten. Die Analyse aller geochemischen Parameter ist noch nicht abgeschlossen.

In verschiedenen Studien, die zwischen 2014 und 2017 im Distrikt Ullapara im Nordwesten Bangladeschs durchgeführt wurden, beobachteten Dr. Maier und sein Team an drei verschiedenen Standorten, dass Rohrbrunnen mit hoher Arsenbelastung des Wassers in der Nähe von häufig genutzten Latrinen (z. B. in Schulen) lagen. Diese Beobachtung muss anhand einer ausreichend großen Stichprobe statistisch überprüft werden.

Die Anschubfinanzierung durch HCE-Start wird dazu verwendet, die Zusammenarbeit aufzubauen und Daten für mindestens eine gemeinsame Publikation zu sammeln. Das Projekt soll eine Grundlage für eine Reihe interdisziplinärer Doktorarbeiten bieten. Die gemeinsame Forschung wird fortgesetzt, um die Anwendbarkeit des vorgestellten Ansatzes auf andere betroffene Regionen zu evaluieren.

Literaturverzeichnis

Naujokas, M. F., Anderson, B., Ahsan, H., Aposhian, H. V., Graziano, J. H., Thompson, C. & Suk, W. A. (2013): The Broad Scope of Health Effects from Chronic Arsenic Exposure: Update on a Worldwide Public Health Problem. In: Environmental Health Perspectives 121.3, S. 295-302. doi: 10.1289/ehp.1205875.

Smith, A. H., Lingas, E. O. & Rahman, M. (2000): Contamination of drinking-water by arsenic in Bangladesh: a public health emergency. In: Bulletin of the World Health Organization 78, S. 1093-1101.

BBS & UNICEF (2015): Bangladesh Multiple Indicator Cluster Survey 2012-2013 Final Report. Techn. Ber. Bangladesh: BBS/UNICEF, S. 272.

Lawson, M., Polya, D. A., Boyce, A. J., Bryant, C., Mondal, D., Shantz, A. & Ballentine, C. J. (2013): Pond-Derived Organic Carbon Driving Changes in Arsenic Hazard Found in Asian Groundwaters. In: Environmental Science & Technology 47.13, S. 7085-7094. doi: 10.1021/es400114q.

Maier, M. V., Isenbeck-Schröter, M., Klose, L. B., Ritter, S. M. & Scholz, C. (2017): In Situ-mobilization of Arsenic in Groundwater - an Innovative Remediation Approach? In: Procedia Earth and Planetary Science 17, S. 452-455. doi: 10.1016/j.proeps. 2016.12.114.

Smedley, P. L. & Kinniburgh, D. G. (2002): A review of the source, behaviour and distribution of arsenic in natural waters. In: Applied Geochemistry 17, S. 517-568.

Ravenscroft, P., McArthur, J. & Hoque, B. (2001): Geochemical and Palaeohydrological Controls on Pollution of Groundwater by Arsenic. In: Arsenic Exposure and Health Effects IV. Hrsg. von W. Chappell, C. Abernathy & R. Calderon. IV. Bd. 5. Oxford: Elsevier Science Ltd. Kap. Geochemica, S. 53-78.

Whaley-Martin, K. J., Mailloux, B. J., Geen, A. van, Bostick, B. C., Ahmed, K. M., Choudhury, I. & Slater, G. F. (2017): Human and livestock waste as a reduced carbon source contributing to the release of arsenic to shallow Bangladesh groundwater. In: Science of The Total Environment 595, S. 63-71. doi: 10.1016/j.scitotenv.2017.03.234.

Escamilla, V., Knappett, P. S. K., Yunus, M., Streatfield, P. K. & Emch, M. (2013): Influence of Latrine Proximity and Type on Tubewell Water Quality and Diarrheal Disease in Bangladesh. In: Annals of the Association of American Geographers 103.2, S. 299-308. doi: 10.1080/00045608.2013.756257.

McArthur, J., Sikdar, P., Hoque, M. & Ghosal, U. (2012): Waste-water impacts on groundwater: Cl/Br ratios and implications for arsenic pollution of groundwater in the Bengal Basin and Red River Basin, Vietnam. In: Science of The Total Environment 437, S. 390-402. doi: 10.1016/j.scitotenv.2012.07.068.

Neumann, R. B., Ashfaque, K. N., Badruzzaman, A. B. M., M., A. A., Shoemaker, J. K. & Harvey, C. F. (2010): Anthropogenic influences on groundwater arsenic concentrations in Bangladesh. In: Nature Geoscience 3.1, S. 46-52. doi: 10.1038/ngeo685.

Dey, N. C., Parvez, M., Dey, D., Saha, R., Ghose, L., Barua, M. K., Islam, A. & Chowdhury, M. R. (2017): Microbial contamination of drinking water from risky tubewells situated in different hydrological regions of Bangladesh. In: International Journal of Hygiene and Environmental Health 220.3, S. 621-636. doi: 10.1016/j.ijheh.2016.12.007.